Interpretation: Properz 1 1,1-8
Das Liebesgedicht, das ich im Folgenden analysieren werde,
stammt von Properz und handelt von der Unbesiegbarkeit Amors und der Liebe.
Das Metrum des Gedichtes ist das elegische Distichon. Bei meiner Interpretation
beziehe ich mich auf folgende Textstelle: 1
1,1-8.
1 | Cynthia prima suis miserum me cepit ocellis, |
2 | contactum nullis ante cupidinibus. |
3 | tum mihi constantis deiecit lumina fastus |
4 | et caput impositis pressit Amor pedibus, |
5 | donec me docuit castas odisse puellas |
6 | improbus, et nullo vivere consilio. |
7 | ei mihi, iam toto furor hic non deficit anno, |
8 | cum tamen adversos cogor habere deos. |
In diesem Gedicht erzählt Properz von seiner Liebe zu Cynthia. Sie ist seine
erste große Liebe, doch wie man später erfährt, mochte er sie anfangs gar nicht.
Dann wird er jedoch von Amor besiegt und muss sich ihm vollkommen ergeben. Er
beginnt sie zu lieben. Zu dem Zeitpunkt, an dem das Gedicht geschrieben wird,
ist er schon ein Jahr glücklich in Cynthia verliebt.
Das Gedicht lässt sich in drei Abschnitte gliedern.
Der erste Abschnitt umfasst die Verse 1 und 2. Hier erklärt Properz, dass
Cynthia seine erste große Liebe ist (V.1 „Cynthia
prima“, V.2 „Contactum nullis
ante cupidinibus“).
Der Mittelteil des Gedichtes umfasst die Verse 3-6
und beschreibt Amors Sieg (V.4 „et caput inpositis
pressit Amor pedibus“). Dieser Teil ist der Wichtigste, da er die
Kernaussage- nichts ist stärker als die Liebe- enthält.
Die Bedeutung dieses Teils lässt sich auch an der Länge erkennen.
Im letzten Teil beschreibt er dann, dass seine Liebe schon ein Jahr andauert
(V.7 „non deficit anno“). Die Gliederung lässt sich
nicht nur inhaltlich sondern auch anhand der Konnektoren vornehmen und
nachweisen (V.3 „tum“, V.7„et
mihi iam“).
In diesem Gedicht
lassen sich einige der typischen Merkmale einer römischen Liebeselegie wie
servitium amoris, foedus
aeternum oder die Kritik an gesellschaftlichen Normen finden. Nachdem
Properz von Amor besiegt worden ist, kann er nicht mehr frei entscheiden
und unterliegt wie ein Sklave dem Willen Amors (servitium
amoris). Die Unbesiegbarkeit Amors stellt eine nicht unerhebliche Kritik
an der Werten und Normen der
römischen Gesellschaft dar, da den Römern Tapferkeit und kriegerische Stärke im
allgemeinen viel wichtiger waren als Romantik und Liebe. Der Kriegsgott Mars
oder Zeus als Göttervater dürften als mächtigste Götter gegolten haben und nicht
Amor als Gott der Liebe.
Möglicherweise stellt der Hinweis Properz, dass
seine Liebe zu Cynthia schon ein Jahr
andauert, auch einen Hinweis auf das foedus aeternum
dar, das ebenfalls eines der klassischen Merkmale einer römischen Liebeselegie
darstellt.
An den Stellen, an denen Properz konkret über seine Gefühle zu Cynthia spricht und die ihm am wichtigsten sind, verwendet der Dichter Litotes, also doppelte Verneinungen, um die Bedeutung hervorzuheben (V.2 „Contactum nullis ante cupidinibus“, V.7 „Non deficit anno“).
Das Kernthema des Gedichtes ist wie gesagt die Macht und Unbesiegbarkeit Amors und der Liebe. Selbst wenn man die betreffende Person vorher gar nicht mochte, können sich die Gefühle durch Amors Wirken vollkommen verändern, da nichts so stark ist wie die Liebe!
Amor semper vicit!
Anna Müller
(GK Latein 11, 2008/09)