Römische Historiographie

Verfasst von Tobias Heppelmann (Grundkurs Latein 11 (2004/05))

 

Voraussetzungen und Zusammenhänge

Die römische Historiographie nimmt als Grundlage die römische Geschichte. In der Öffentlichkeit befanden sich Zeichen und Denkmäler der Geschichte.

Die römische Geschichtsschreibung setzt erst ab dem Punischen Krieg (264 – 241 v. Chr.) ein. Sie behandelt die Thematik der Zeitgeschichte, jedoch werden wegen fehlender geistiger Fähigkeiten die römische Ständekämpfe, die Abschaffung der Monarchie und die Schaffung der Adelsrepublik nicht niedergeschrieben. Sie ist stärker aufgegliedert als andere Historiographien (z.B. der Griechen) und beschäftigt sich mit der Kontinuität von Formen und Maßstäben, Grundüberzeugungen und Wertungen.

Die römische Historiographie ist in vier Epochen zu unterteilen. Die erste Epoche (zweite Hälfte des 3. Jh. v. Chr.) beschäftigt sich mit dem Höhepunkt der Aristokratie. Zunächst ist sie in griechischer Sprache und nach außen gewandt, später die Interessen der Führungsschicht vertretend und nach innen gerichtet, verfasst. Sie ist durch die Analistik als republikanische Form geprägt. Der bedeutsamste Sachwalter war der griechische Historiker Polybios.

In der zweiten Epoche (1. Jh. v. Chr.), die die Zuspitzung der Krise der römischen Republik thematisiert, werden die traditionellen Formen und Wertungen fortgeführt. Trotzdem gab es neue Formen und Inhalte wie Kritiken an der Gesellschaft und der Führungsschicht, aber auch die Propagierung militärischer Erfolge und die Rechtfertigung politischer Positionen. Passend dazu waren repräsentative Gestalten wie Gaius Julius Caesar und Sallustius Crispus. Außerdem schrieb Titus Livius seine große historische Synthese.

Die dritte Epoche (1./2. Jh. n. Chr.), nach der Errichtung des Prinzipats durch Augustus, bringt ein neues politisches, gesellschaftliches System. Es gibt erbitterte Gegner, die an den traditionell republikanischen Schriften festhalten, und die Propagandisten, die den Genos der Kaiserbiographie vertreten, wie sie Tranquillus und Plutarch im 2. Jh. festhielten. In dieser Epoche gipfelt die römische Historiographie stilistisch wie in inhaltlicher Hinsicht durch Tacitus.

Die vierte Epoche (3. Jh. n. Chr.) findet parallel zur Reichskrise im spätantiken Zwangsstaat statt. Das Festhalten an alten Formen wird politisches Programm und es entstehen historische, biographische Produktionen, die durch Rhetorik und dem Spiel mit der Geschichte charakterisiert sind. Wegen bescheidener Informationsbedürfnisse der neuen Gesellschaftsschichten klingt die römische Historiographie aus. Nach dem Untergang des Weströmischen Reiches 476 n. Chr. wird das historische Subjekt Rom beseitigt und die irdische Geschichte wird durch Aurel Augustinus relativiert.

Das römische Geschichtsbild in der Republik wird stark von den Göttern beeinflusst. Der ständige Einklang mit den Göttern und die Frömmigkeit (pietas) ist oberstes politisches Gebot. Hinzu kommt, dass die Handlungsträger stark idealisiert werden, was durch Erhaltung der göttlichen Sitten spätere Generationen beeinflusst. Die Macht und die Größe Roms wird legitimiert.

 

Literatur

Christ, Karl: Römische Geschichtsschreibung. In: Propyläen Geschichte der Literatur. 1. Bd.: Die Welt der Antike 1200 v. Chr.- 600 n. Chr., Berlin 1981, 409-437.

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Bedeutende Historiker

Verfasst von Isabel Oldengott (Grundkurs Latein 11 (2004/05))

Polybios

Polybios war Teil der Führungsschicht der griechischen Freistaaten (169/168 v. Chr. Kavalleriekommandeur) und kam als Geisel nach Rom. Er nahm für sich in Anspruch die Verbindung zwischen politischer und historiographischer Tätigkeit darzustellen. Seine Vorstellung der Geschichtsschreibung war die wahrheitsgemäße Aufschreibung von Taten und Gesagten, wobei diese nur zur Belehrung von Wissbegierigen dienen und nicht wie Tragödien die Leser beeindrucken sollte. Sein Werk die „Universalgeschichte“ zieht sich über 40 Bände, die eine kurze Schilderung von den Vorgängen zwischen 264-220 v. Chr. und die Entwicklung des Geschehens im Mittelmeerraum bis Mitte des 2. Jh. v. Chr. beinhalten. Außerdem enthält das 4. Buch die Vortragung seiner Konzeption der Verfassungsformen und er beschrieb seine Idealverfassung als eine Mischverfassung aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie.

 

Sallust

Sallust war ein sozialer Aufsteiger aus dem Sabinerland und war 52 v. Chr. Volkstribun. Da er aber gegen die Senatsaristokratie opponierte, wurde er 2 Jahre später aus dem Senat gestoßen. Im Bürgerkrieg war er ein erfolgreicher Organisator auf Seite Caesars und wurde 46 v. Chr. durch diesen zum Organisator der Provinz Africa nova ernannt. Hierbei gab er sich anscheinend beträchtlichen Blößen, welche zwar vertuscht wurden, aber trotzdem den Rücktritt Sallusts aus der Politik nach sich zogen. In den ihm verbleibenden sieben Jahren als Historiker konnte er nur ein nicht sehr umfangreiches Werk verfassen, was sich auf zwei Monographien (knappe Darstellung der Verschwörung Catilinas 63 v. Chr. „Catilina“ und des Jugurthinischen Krieges 111- 106 v. Chr. „Bellum Iugurthinum“) und sein Werk Historiae 78-76 v. Chr. beschränkt. Von der „Historiae“ sind nur noch vier Reden, zwei Briefe und 500 meist kleinere Fragmente erhalten. Stilistisch ist er anticiceronianisch, das bedeutet, dass er zerrissene, jäh abbrechende Wortfolgen von knapper, düsterer Prägnanz verwendet. Sein Schwerpunkt liegt in der Beschreibung der Atmosphäre und der Menschen und nicht in der Beschreibung der Geographie und des Militärs. Durch sein eigenes politisches Scheitern stand er allen politischen Gruppen und der Menschen überhaupt mit Skepsis entgegen.

 

Caesars „Commentarii“

Caesars „Commentarii“ stehen literarisch zwischen den traditionellen Gattungen und dürfen daher nicht nach den künstlerischen Kriterien der Historiographie beurteilt werden.

Sie dienten nicht nur als Archivmaterial, sondern auch als wirksames Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Caesar überschütterte die Leser mit Informationen über gallische, germanische und britannische Stämme und direkt vom ersten Satz an (Gallia est omnis divisa ...) wird klar, dass er sich als Ziel die Eroberung ganz Galliens setzte. Er stilisierte sich selbst als den Wahrer römischer Tradition und der Verkörperung römischer virtus. Außerdem hob er seine Unbestechlichkeit und Tatkraft durch die Diskriminierung seiner Gegner und die Dramatisierung von Gefahren hervor. Seine Herrschaftsstruktur war auf persönliche Freundschaften aufgebaut, was sich in seinen Berichten über den gallischen Krieg erkennen lässt.

 

Tacitus

Tacitus war Angehöriger der senatorischen Führungsschicht und hat die traditionelle Ämterlaufbahn bis zum Konsulat erfolgreich durchlaufen. Sein persönlichstes Werk ist „Agricola“ (98 n. Chr.), welches eine laudatio auf seinen Stiefvater ist und den gewiss rechtschaffenen Statthalter zum Vorbild politischen und moralischen Verhaltens stilisiert. Charakteristisch für Tacitus sind Antithesen und, dass er an Knotenpunkten des Geschehens die Perspektive wechselt. Im römischen Prinzipat sieht er ein Machtsystem, das auf Heuchelei, Falschheit, Korruption, Charakterlosigkeit, Opportunismus, kriecherischer Servilität und absoluter Willkür fußte.

Literatur

Christ, Karl: Römische Geschichtsschreibung. In: Propyläen Geschichte der Literatur. 1. Bd.: Die Welt der Antike 1200 v. Chr.- 600 n. Chr., Berlin 1981, 409-437.

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